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Wissenswertes über Röhren und Röhrenverstärker.

Einschalten

Röhren mögen keine Hochspannung, solange sie kalt sind. Deswegen sind die meisten Gleichrichterröhren so konstruiert, dass sie länger zum Aufheizen brauchen als Vor- und Endstufenröhren.
Folglich liegt die Hochspannung an den Verstärkerröhren erst an wenn sie warm sind.
Wenn statt einer Gleichrichterröhre Siliziumdioden verbaut sind liegt die Hochspannung sofort nach dem Einschalten an. Ein Stand-By Schalter verhindert das.

Die richtige Einschaltsequenz ist also:
– Power und St-By OFF
– Power ON (die Heizung wird in Betrieb genommen)
– mindestens 30 Sekunden warten
– St-By ON

Wenn die Lautstärke nach St-By ON langsam ansteigt war die Wartezeit zu kurz.

Ein Stand-By Schalter läßt sich bei den meisten Verstärkern problemlos nachrüsten. Er schont die Röhren auch in Spielpausen, denn wenn die Hochspannung abgeschaltet ist fließt kein Strom durch die Röhre und sie hält länger.

Beim Ausschalten ist die Reihenfolge egal, solange immer beide Schalter auf OFF stehen.

Lautstärke und Leistung

Die Verdopplung einer elektrischen Spannung (oder eines Stromes) – also z. B. von 1 auf 2 Volt – entspricht einem Zuwachs von 6 dB. Eine Halbierung – also z. B. von 1 auf 0,5 Volt – wird durch eine Verminderung um 6 dB angegeben.
Eine Verdopplung der Leistung unterliegt aber einem anderen Verhältnis.  Eine Erhöhung von 10 Watt auf 20 Watt entspricht einem Zuwachs von 3 dB. Ein Zuwachs von 6 dB entspricht dann also der 4-fachen Leistung!

Eine Verdopplung der Lautstärke (3dB) erfordert rund 100% mehr Leistung, also ebenfalls eine Verdopplung.
Eine Verdopplung der Ausgangsleistung erhöht zwar die Lautstärke um 3 dB, was jedoch NICHT zu einer Verdoppelung des Lautstärkeeindrucks führt, da unser Ohr nicht linear funktioniert.

Die Wahrnehmung des Ohres ist nicht nur vom Schalldruck allein, sondern auch von der Frequenz abhängig. Dieser Sachverhalt wird mit dem sog. A-Schallpegel berücksichtigt. Eine Zunahme um 10 dB(A) bedeutet daher etwa eine Verdoppelung des Lautstärkeeindrucks.

Fazit: Die Verdopplung des Lautstärkeeindrucks erfordert eine Erhöhung um rund 10 dB, also der zehnfachen(!) Leistung. Das heißt, ein 100 Watt Verstärker ist etwa doppelt so laut wie ein 10 Watt Verstärker.
Oder umgekehrt: Um einen 100 Watt Verstärker in der Lautstärke zu halbieren muß man die Leistung um 90 Watt reduzieren.

Arbeitspunkt

Der Arbeitspunkt einer Röhre ist in etwa mit der Leerlaufdrehzahl eines Motors zu vergleichen. Ist sie zu niedrig ruckelt der Motor und nimmt nicht ordentlich Gas an. Ist sie zu hoch verbraucht der Motor zuviel Benzin.
Ist der Arbeitspunkt der Röhre zu niedrig eingestellt entstehen durch die unten gekrümmte Kennlinie Verzerrungen. Ist er zu hoch eingestellt verschleißt die Röhre schneller weil dauernd mehr Strom fließt.

Das trifft nicht nur auf Endstufenröhren zu, sondern gilt auch für Vorstufenröhren wie z.B. die ECC40, deren Eingangskennlinie im Diagramm zu sehen ist.

 

Hier sind auch die gängigsten Arbeitspunkte eingezeichnet:
– Im Class-B Betrieb nutzt man die komplette Kennlinie, hier entstehen aber unweigerlich erhebliche Verzerrungen.
– Im Class-AB Betrieb beschränkt man sich auf den linearen teil der Kennlinie. Da die Röhre dann aber nur in eine Richtung funktioniert, benötigt man in dieser Betriebsart immer (mindestens) zwei Röhren.
– Im Class-A Betrieb legt man den Arbeitspunkt in die Mitte des linearen Teils der Kennlinie. Die Röhre kann dann in beide Richtungen ausgesteuert werden und überträgt das komplette Signal.
Man sieht, dass die ECC40 in Class-B eine Gittervorspannung von -9,8V benötigt, in Class-AB etwa -6V und für Class A ca. -3V.

Vorstufenröhren in Audioverstärkern sollen das gesamte Signal übertragen, müssen also in Class-A arbeiten.
Bei Endstufen mit nur einer Röhre ist das genauso. Eine Gegentaktendstufe mit zwei oder mehr Endstufenröhren kann viele Arbeitspunkte haben. Der gesamte Bereich zwischen AB und A ist möglich.

Biasspannungserzeugung

 

Jede Röhre braucht eine negative Spannung am Gitter um den Arbeitspunkt zu definieren. Fehlt diese Spannung, so fließt der maximale Strom durch die Röhre und man kann sie nicht mehr steuern. Bei Endstufenröhren erkennt man das an den glühenden Anodenblechen, das ist sehr schädlich für die Röhre.

Es gibt mehrere Möglichkeiten diese Spannung zu erzeugen. Die beiden häufigsten sind:

Beim Kathodenbias wird der Spannungsabfall am Kathodenwiderstand genutzt. Da in das Steuergitter (idealerweise) kein Strom fließt, liegt das Gitter gleichspannungsmäßig auf Massepotential. Aus sicht der Röhre ist dann das Gitter im Verhältnis zur Kathode negativer. Der Arbeitspunkt wird über die Größe des Kathodenwiderstandes bestimmt. Man nennt diese Methode auch Auto-Bias, denn ein größerer Strom durch die Röhre erzeugt im Kathodenwiderstand einen höheren Spannungsabfall, der wiederum die negative Gittervorspannung erhöht und den Strom durch die Röhre reduziert. Damit sich keine Gegenkopplung für das Nutzsignal einstellt wird die Wechselspannung oft durch einen Kondensator parallel zum Kathodenwiderstand kurzgeschlossen.

Diese Variante wird bei nahezu allen Vorstufenröhren angewandt. Bei Endstufenröhren führt der Spannungsabfall am Kathodenwiderstand zu einer Reduzierung der nutzbaren Anodenspannung und somit zu einer Leistungsreduzierung. Daher wird diese Variante häufiger bei Verstärkern mit niedriger Leistungen verwendet.

Beim Fixed Bias wird die negative Gittervorspannung extern erzeugt. Meist durch eine Halbleiterdiode mit ein paar Widerständen und Elkos. Oft wird ein Potentiometer eingebaut um diese Spannung einstellbar zu machen und damit den Arbeitspunkt der Röhre einzustellen. Wir sprechen aber auch dann von Fixed Bias, denn die Gittervorspannung ist fixiert und hängt nicht vom Strom durch die Röhre ab.

Matching

Oder: Warum müssen Endstufenröhren gematcht sein?
In Gegentaktverstärkern wird das Signal im Phasendreher aufgeteilt und die beiden Halbwellen an je eine (oder mehrere parallel arbeitende) Endstufenröhre(n) geleitet. Die beiden Signale werden dann im Ausgangsübertrager wieder zusammengefügt.
Alle Röhren müssen demnach gleich funktionieren, sonst entspricht das Signal am Ausgang nicht mehr dem am Eingang, es entstehen Verzerrungen.

Dabei kommt es aber nicht nur auf den Ruhestrom den einzelnen Röhren an. Genauso wichtig ist die Verstärkung der Röhre, genannt Steilheit. Differenzen in der Steilheit ergeben unterschiedlich große Halbwellen. Klanglich macht sich das durch häßliche unharmonische Verzerrungen und mangelnde Transparenz in der Endstufe bemerkbar.

Wir beziehen unsere Röhren beim TubeAmpDoctor in Worms. Die testen die Röhren auf Platecurrent (PC) und Transductance (TC) und es gibt so gut wie nie Abweichungen über 10% (das ist unser Limit). Meistens liegen die Werte der Röhren bei weniger als 5% Abweichung. Außerdem macht der TAD ein ordentliches BurnIn, testet die Röhren also unter Last über einen längeren Zeitraum und selektiert erst dann.

Nach der Bias-Einstellung im Amp laufen die Röhren bei uns dann noch mindestens eine Stunde unter Nennlast. Danach werden die Ströme im Leerlauf und unter Last nocheinmal kontrolliert und ins Inspektionsprotokoll eingetragen.

Vorstufenröhren

Die Vorstufenröhren in Gitarrenverstärkern können, im Gegensatz zu Endstufenröhren, ohne Biasabgleich getauscht werden. Man kann den Verstärker durch gezielte Auswahl im Sound und im Zerrverhalten an seine persönlichen Bedürfnisse anpassen. Aber die Auswahl ist riesig, hier mal ein Vergleich der gängigsten Typen:

US        EU Vergl.
V
Imax
Pmax
12AX7 ECC83 7025 100 8mA 1W
5751     70 8mA 1W
12AT7 ECC81 6201 60 15mA 2,5W
5965     47 16,5mA 2,4W
12AY7   6072 44 10mA 1,5W
5963     21 20mA 2,5W
6189 E82CC   17 22mA 3W
12AU7 ECC82 5814 17 20mA 2,75W

Jetzt wird klar, warum häufig eine 12AT7 als Phasendreher oder Halltreiber eingesetzt wird: Sie kann höhere Ströme und mehr Leistung liefern als eine 12AX7. Das ist wichtig um die Endstufenröhren stabil anzusteuern oder eine Hallspirale in Schwingung zu versetzen.
Der Leerlaufverstärkungsfaktor V erklärt, warum eine 5751 z.B. einen Fender Verstäker länger clean macht. Bei zwei hintereinandergeschalteten Trioden ergibt sich eine (theorethische) Gesamtverstärkung von 70*70=4900. Eine 12AX7 macht 100*100=10000, also ca. halbe Spannung. In vielen Tweed Amps wird eine 12AY7 als Eingangsröhre verwendet, mit einer 12AX7 verzerrt der Verstärker viel früher.
Die amerikanischen Röhren mit den vier Ziffern sind Military Grade Röhren, die im Regelfall rauscharm und weniger mikrofonisch waren. Auf Röhren aktueller Produktion trifft das aber nicht immer zu, auch wenn die Bezeichnung draufsteht.
Grundsätzlich wage ich zu behaupten, daß die alten Vorstufenröhren besser geklungen haben als die modernen Röhren. Eine Valvo, Mullard oder Telefunken ECC83 als V1 in einem Marshall ist immer noch nicht zu toppen.
Und mein Liebling für alte Fender Amps ist immer noch eine 5751 von General Electrics oder Philips.

Also: Ausprobieren und vergleichen, nie war Amp-Tuning so einfach!

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